STUDIEN ZU PSYCHOGEOGRAPHIE, HETEROTOPIE, NOMADOLOGIE?

WAS IST PSYCHOGEOGRAPHIE?

Guy Debord hat in seiner “Einführung in eine Kritik der städtischen Geographie” Psychogeographie als die experimentelle Erforschung der Umwelt und ihrer Auswirkungen definiert. Es ist die Frage danach, welchen Einfluss die geographische Umgebung auf die Wahrnehmung, das psychische Erleben und das Verhalten hat. Techniken und Methoden der Psychogeographie sind das Umherschweifen, Driften bzw. ein Dérive. Damit verbunden ist das Verlaufen oder das Sammeln, Protokollieren, Kartographieren und Zweckentfremden von Fundstücken, Gesprächen mit Passanten, Sounds etc.. Mit anderen Worten lassen sich darunter Techniken und Methoden des achtsamen oder eiligen Durchquerens von städtischen oder ländlichen Zonen verstehen. Hierbei geht es darum, die vorhersehbaren Pfade als Fußgänger_innen zu verlassen und uns Strategien zu überlegen, wie wir Räume erkunden. Es geht darum, das psychogeographische Relief, die Fixpunkte und Strömungen, die Ein- und Ausgänge oder Ordungssystematiken von räumlichen Zonen zu erkennen. Umherschweifen kann eine Stunde oder auch mehrere Monate andauern. Ivan Chtcheglov empfiehlt letzteres. Psychogeographie findet aber nicht nur im äußeren Raum statt, sondern diese Methode kann auch angewendet werden, um den inneren Raum zu kartographieren und verschiedene thematische Karten der Befindlichkeit anzulegen. Auch hier geht es darum, die Tiefe auszuloten, sich zu verirren, sich von seiner Entfremdung zu entäußern. Bei der Psychogeographie geht es um Wiederaneignung und Transformation, denn „der ganze Raum ist vom Feind besetzt. Wir leben in einer permanenten Ausgangssperre. Nicht nur die Cops – die Geometrie“ (Raoul Vaneigem).

Psychogeographie ist die experimentelle Methode zur Erforschung von Räumen. Psychogeographie ist die Frage danach, welchen Einfluss die Umgebung auf Wahrnehmung, Erleben und Verhalten hat.

WAS SIND HETEROTOPIEN?

Michel Foucaults Begriff der Heterotopie ist eine Möglichkeit die Welt in der wir leben, die Räume, in denen wir uns bewegen, zu verstehen. Heterotopien sind Räume, die in besonderer Weise gesellschaftliche Verhältnisse repräsentieren. Foucault definiert in seinem Text „Der Ariadnefaden ist gerissen“ Heterotopien als „wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können“. Die Betrachtung von Heterotopien zeigen uns den Horror alltäglicher Handlungen und Rituale, die disziplinarischen Bedeutungen des Raumes, der Kultur und ihrer Einschließungsmilieus. Für Foucault stellen Kinos, Bibliotheken, Gefängnisse typische Heterotopien dar. Die sozialen Praxen in den Heterotopien funktionieren nach bestimmten vorgegebenen Ordnungssystematiken. Die symbolischen Ordnungen dieser Räume lassen identitäre Selbstplatzierungen entstehen. Auch in den Einfamilienhäusern, Schulen, Fabriken, Wohngemeinschaften oder im öffentlichen Raum lassen sich Heterotopien erkennen. Denn „der Raum, in dem wir leben, durch den wir aus uns herausgezogen werden, in dem sich die Erosion unseres Lebens, unserer Zeit und unserer Geschichte abspielt, dieser Raum, der uns zernagt und auswäscht, ist selber auch ein heterogener Raum“, schreibt Foucault.

Heterotopien repräsentieren in besonderer Weise gesellschaftliche Verhältnisse. Sie zeigen uns tatsächlich realisierte Utopien, die disziplinarischen Techniken kultureller Einschließungsmilieus, den Horror alltäglicher Rituale.

WAS IST NOMADOLOGIE?

Mit der Relation zwischen den im Raum befindlichen Menschen und der Ordnungssystematik von Idealbildern beschäftigen sich Gilles Deleuze und Félix Guattari in ihrem Buch „Tausend Plateaus“. Darin stellen sie zur Verdeutlichung der Relation dem „gekerbten Raum“ des Sesshaften, den „glatten Raum“ der Nomad_innen entgegen. Während im „gekerbten Raum“ sich eine Territorialisierung vollzieht, indem durch die Einteilung von festen Territorien Auf- und Zuteilungen von Eigentumsverhältnissen enstehen, vollzieht sich im „glatten Raum“ eine Deterritorialisierung von Grenzen. Für Deleuze und Guattari ist der „gekerbte Raum“ ein Sinnbild für einen Raum „der vom Staatsapparat geschaffen wird.“ Dieser Raum erschafft Einschließungsmilieus und die dazugehörigen ordnungssystematischen Raumgefüge. Er definiert uns als Subjekte. Der deterritorialisierte Raum der Nomad_innen hat kein Zentrum als zentrale Ordnungsinstanz, durch die das Heterotop zum Einschließungsmilieu gebracht wird. Dieser Raum wird eher durch seine haptische als durch eine optische Wahrnehmung erfahren, er muss erkundet und durchwandert werden. Die Nomadologie beschreibt daher die Transitstelle zu einem offenen, unorganisierten, unmarkierten bzw. glatten Raum, der nicht territorialisiert oder durch die Ausdehnung des eigenen Körpers begrenzt ist. Nomadologie ist Situation. Sie diffundiert Identität. Sie ist ein unkonturiertes Sein, ein ständiges Werden. Sie richtet sich gegen den Staatsapparat und seine Einschließungsmilieus. Nomade_in-Werden heißt, Minoritär-Werden und Minoritär-Werden heißt, transgressive Denk- und Existenzweisen zu finden.

Nomadologie beschreibt die Transitstelle zu einem offenen Raum, der nicht territorialisiert oder durch die Ausdehnung des eigenen Körpers begrenzt ist. Nomadologie diffundiert Identität, ist ein unkonturiertes Sein, ist Situation und ein ständiges Werden.

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